30-04-2010
Ralf Hesselschwerdt richtet bei den Weltreiterspielen

Kentucky/USA (fn-press) - Die Weltreiterspiele in Lexington im US-Staat Kentucky (25. September bis 10. Oktober) stellen alle Beteiligten vor eine besondere Herausforderung. Erstmals werden in acht Disziplinen zeitgleich die Weltmeister ermittelt. Um dieses Mammutevent ohne Probleme zu stemmen, bedient sich der Veranstalter der Unterstützung vieler internationaler Experten, darunter auch zahlreicher Deutscher. Einer von ihnen ist DQHA-Mitglied Ralf Hesselschwerst (Groß-Gerau). Er wird in Kentucky bei den Reining-Wettbewerben am Richtertisch sitzen.
Der typische Deutsche trägt Lederhosen, trinkt Bier aus Maßkrügen und ist gründlich, pünktlich und ewig nörgelnd. Der typische Amerikaner hingegen trägt Stetson, liebt Hamburger und ist entweder Banker, Computer-Spezialist oder Cowboy. Wirklich? Ebenso wenig wie die meisten Deutschen dem Klischee im Ausland entsprechen, sind die USA eine Nation voller Westernreiter. „Hochburg dieser Art des Reitens ist der Südwesten – Colorado, Oklahoma, Ohio, Texas. An der Ostküste wird dagegen Dressur und Springen geritten“, klärt Ralf Hesselschwerdt auf. Auch die Pferdeleute in Kentucky haben wenig mit Westernreiten zu tun. Kentucky ist ein Land des Rennsports, ein „Vollblüter“-Land. Dennoch rechnet der deutsche Richter mit einem enormen Zulauf zur Reining-WM in Lexington. Denn die Zahl der amerikanischen Fans ist riesig und anders als bei allen vorangegangenen Weltreiterspielen bleibt ihnen in diesem Jahr zumindest der Flug über den großen Teich erspart.
Für Ralf Hesselschwerdt ist der Trip nach Kentucky also auch eine Premiere. Bei Weltreiterspielen sitzt er allerdings schon zum dritten Mal am Richtertisch. Der heute 58-Jährige ist dem Westernreitern seit über 25 Jahren verbunden. Mitte der 80er Jahre kam der gebürtige Karlsruher durch seine Tochter Sita zum Pferd. Damals am Bodensee beheimatet, begann er ganz klassisch mit Longenstunden und Abteilungsunterricht. Bei einem ehemaligen GI entdeckte er dann das Westernreiten. „Die Reitkurse waren aus heutiger Sicht eher abenteuerlich, aber auch sehr spannend“, sagt er schmunzelnd. Schnell freundete er sich mit der etwas anderen Art des Reitens an. Der erste Turnierstart folgte fast automatisch. Auch wenn er „eigentlich nie Turniere reiten wollte. Ich fand das unnötig“, sagt Hesselschwerdt schmunzelnd. An die Anfänge seiner sportlichen Karriere kann er sich noch gut erinnern. „Nachdem ich zwei Mal gestartet war, war ich zwei Mal platziert und damit meinen Einsteiger-Status los“, sagt er.
Anfänglich showte Ralf Hesselschwerdt auf EWU-Turnieren in den Disziplinen Trail, Horsemanship, Pleasure und Reining. Mit Beginn der 90er Jahren konzentrierte er sich dann auf die Disziplinen Reining und Western Riding und nahm auch an Turnieren der Verbände NRHA (National Reining Horses Association) und AQHA (American Quarter Horse Association) teil. Diese wurden bis dahin ausschließlich von amerikanischen Richtern bewertet. Mit steigendem Interesse am Westernreitsport in Deutschland wuchs aber auch der Bedarf an Richtern. Da war es nur eine Frage der Zeit, dass auf der Flachsbergranch in Schwanewede bei Bremen die erste Richterausbildung der NRHA in Deutschland stattfand. Ralf Hesselschwerdt war einer von nur Dreien, die die Richterprüfung bestanden. Damit folgte der Wechsel vom Teilnehmer zum Richter. Einer, der dabei half, war sein Prüfer und langjähriger Mentor, der internationale NRHA-Richter Jack Drechsler aus Kanada. Dennoch war sein erster Einsatz „ein Sprung ins kalte Wasser“, erinnert sich Hesselschwerdt und gibt zu: „Das war beim Mannheimer Maimarkt und war ich noch ziemlich überfordert.“
Aktuell besitzt Hesselschwerdt die Richterkarten der FEI (Reining), NRHA und AQHA. Aus dem ursprünglichen Hobby ist eine Lebensaufgabe geworden, aus dem ehemaligen Architekturstudenten und Homöopathen ein Züchter, Reiter und Ausbilder. Heute verdient Ralf Hesselschwerdt sein Geld vorwiegend als Lehrgangsleiter und Trainer. An zirka 20 Wochenenden im Jahr sitzt er am Richtertisch. Noch gut erinnert er sich an das Jahr 2002 und die Weltreiterspiele in Jerez de la Frontera in Spanien. „Es war das erste Mal, dass Reining dabei war“, sagt Hesselschwerdt, der in Jerez selbst auch seinen Einstand als Mitglied einer internationalen Jury gab.
Vier Jahre später war er in Aachen wieder dabei – dieses Mal sogar als Vorsitzender der Jury. „Ein wirklich tolles, super organisiertes Turnier“, sagt Hesselschwerdt. An eine Sache erinnert er sich aber nur ungern: an die Verfassungsprüfung. Zusammen mit dem Tierarzt musste er ausgerechnet zwei deutsche Pferden wieder heimschicken, was ihm sehr unangenehm war. „In diesem Moment war ich einfach Richter – und nicht Deutscher“, sagt er. Die Unabhängigkeit im Richteramt ist ihm sehr wichtig: „Das ist etwas, worauf bei uns großer Wert gelegt wird und auch bei Schulungen immer wieder darauf hingewiesen wird.“ In Richtung Kentucky, wäre es ihm persönlich am liebsten, „wenn ich die WM-Teilnehmer bei der WM wirklich zum ersten Mal sehen würde.“
Inzwischen ist Hesselschwerdt international ein gefragter Mann. Er hat Termine in Frankreich, Italien, Österreich, Polen, der Schweiz und den USA. Nach Jerez und Aachen richtete er nicht nur die EM 2007 in Mooslargue, sondern auch die NRHA Reining Futurity in Oklahoma City. Und darauf ist er besonders stolz. Denn „Oklahoma City ist das ‚Wimbledon’ für Reining“, sagt Hesselschwerdt. Hb
Quelle: FN Aktuell |